Neue Anlagentechnologien für flexible Glasanwendungen

Optikkomponenten
29.11.2019
Erstellt von Fraunhofer FEP und Photonik Forschung Deutschland

Im Forschungsvorhaben GLASS4FLEX wollen sechs Verbundpartner aus Wissenschaft und Industrie bis 2022 eine komplett abgestimmte Prozesskette zur Verarbeitung von ultradünnem Glas, vom Hersteller bis zur Funktionalisierung, schaffen. Dafür stellt das BMBF ca. 6,7 Millionen Euro bereit.

Frau in Laborkleidung in der Hocke vor einem Glas, im Hintergrund Monitore
Ultradünnglas – nur so dick wie ein menschliches Haar – ist als Material für die Massenfertigung optischer Komponenten und Bauteile und als Verkapselung optischer und optoelektronischer Systeme bestens geeignet. © Fraunhofer FEP/Jürgen Lösel

Ultradünnglas wird gern als der neue Wunderwerkstoff für unterschiedlichste Anwendungen in Optik, Biotechnologie oder Halbleiterindustrie bezeichnet. Es erscheint mit „Dicken“ kleiner 0,2 mm so dünn wie Folie, verfügt jedoch über herausragende Oberflächeneigenschaften im Vergleich zu flexiblen Kunststoff- und Metallfolien, eine besonders geringe Rauheit, Kratzfestigkeit und hohe Transparenz. Das macht den Werkstoff besonders in der Konsumenten-Elektronik und auch im Automotive Sektor für smarte Touch-Oberflächen und Anzeigen begehrt. Denn die Massenfertigung optischer Komponenten erfordert Materialien, welche als Basis für die einzelnen Bauteile dienen können. Daneben müssen solche empfindlichen, optischen Systeme geeignet gegen Umwelteinflüsse verkapselt werden können. Das macht Ultradünnglas für diese Zwecke bestens geeignet. Doch der Trend zu immer dünneren, flexiblen, leistungsfähigeren und dabei leichteren Geräten und Automobilen der Zukunft führt nun zunehmend zu einer Verschiebung der in Massenvolumen abgesetzten Glasdicken, die sogar deutlich unter 0,2 mm liegen.

Die Verarbeitung von Ultradünnglas ist eine besondere Herausforderung

Aktuell ist die Herstellung von Gläsern in diesem künftig relevanten Dickenbereich von weniger als 0,1 mm zwar möglich, jedoch nicht immer in den geforderten Spezifikationen realisierbar. Die Herausforderung bei der Verwendung von so dünnem Glas liegt außerdem in der gesamten Prozesskette seiner Verarbeitung. Neben der eigentlichen Glasherstellung ist die Reinigung und Handhabung sowie die Feststellung von Defekten im Glas von großer Bedeutung für die spätere Verwendbarkeit. Eine Anlagentechnologie, mit der diese Prozessschritte umgesetzt werden können, existiert aktuell noch nicht.

Sechs Verbundpartner beteiligen sich

Hier setzt das am 1. April 2019 gestartete Gemeinschaftsprojekt GLASS4FLEX an. Im Verbundvorhaben sollen neue Prozesstechnologien, die so bisher nicht existieren, als Wegbereiter für flexible Glasanwendungen für optische Systeme der nächsten Generation entwickelt und für die Entwickler solcher optischen Systeme dauerhaft bereitgestellt werden.

Im Zentrum des Konsortiums steht die SCHOTT AG als Entwickler und Hersteller des ultradünnen Glases. Die Projektpartner umspannen die gesamte Prozesskette – angefangen bei der Schmid Group, die sich mit der Entwicklung von Reinigungsverfahren sowie der zugehörigen Prozesstechnik für das Dünnglas in in-Line-Reinigungsanlagen beschäftigen wird. Anschließend übernimmt die Gesellschaft für Bild- und Signalverarbeitung (GBS) mbH die Erforschung und Entwicklung der Analyse der 3D-Oberflächeneigenschaften inklusive der 3D-Sensorik und des Prüfautomaten.

Das Projekt adressiert die Handhabung von einzelnen großflächigen flexiblen Dünngläsern der maximalen Größe von 1,2 m × 0,6 m, wobei die Handhabung im engeren Sinne eine der größten Herausforderungen im Projekt sein wird. Hierfür stehen die Partner ProTec Carrier Systems GmbH und Adenso Industrial Services GmbH bereit. Erstere werden als Spezialisten für die Entwicklung zuverlässiger Halterungen solche Systeme für die Dünnglasfixierung im Vakuum entwickeln. Mit den Transfertechnologien für das Dünnglas zwischen den einzelnen Prozessschritten vor und nach der Vakuumbeschichtung beschäftigt sich die Adenso Industrial Services GmbH. Das Fraunhofer FEP wird innerhalb des Projektes GLASS4FLEX an optischen und elektrischen Funktionsbeschichtungen für dieses Dünnglas im Sheet-to-Sheet-Verfahren auf Basis der bis dahin entwickelten Prozessergebnisse forschen.

Mechanisch voll belastbare Dünngläser

Projektkoordinatorin Dr. Manuela Junghähnel vom Fraunhofer FEP erläutert die Ziele und Vorhaben: „Wir möchten mit allen sechs Projektpartnern Hand in Hand neue Prozesstechnologien zur Herstellung hochfester Dünngläser entwickeln, die trotz der geringen Dicken mechanisch voll belastbar sind. Einher geht damit die Entwicklung einer sicheren Reinigung und Fehlerinspektion solcher Gläser sowie deren Halterung und Funktionsbeschichtung.“

Im Ergebnis sollen bis 2022 erste großflächig beschichtete Dünngläser mit farbneutralem Kratzschutz und transparenter Elektrode von einer vollständig aufgebauten Prozesskette in Dresden vorgestellt werden können. Daneben ist es Hauptziel, eine vorwettbewerbliche Infrastruktur in Dresden aufzubauen, die es Systemherstellern aus allen genannten Gebieten ermöglicht, optische Komponenten auf der Grundlage beschichteter Dünnstgläser herzustellen.

Mit den Entwicklungen des Projektes sollen die heute glasbasierten Systeme für bessere mechanische Eigenschaften dickenreduziert werden können, ohne die Schutzwirkung herabzusetzen. Die optischen Elemente und die zu ihrer Herstellung erforderlichen Verfahren sollen in möglichst vielen Anwendungen nutzbar sein, insbesondere in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik, Beleuchtung, Medizintechnik, Umweltanalytik und Fahrzeugbau.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Forschungsvorhaben GLASS4FLEX innerhalb der Förderinitiative „Photonik nach Maß“ über drei Jahre mit einer Summe von ca. 6,7 Millionen Euro.

Weitere Informationen

Kurzvorstellung des Projekts
Förderinitiative „Photonik nach Maß“